Triggerwarnung: Fatphobia,Mobbing

Ich heiße Mario. Aber in meiner Klasse hieß ich nie so. Ich hieß „Fettsack“, „Moppel“, „Kübel“, „Plattwalze“ – je nachdem, wie kreativ sie gerade waren.

Die Sprüche fingen irgendwann in der sechsten Klasse an, als die Körper sich veränderten – nur meiner eben nicht „richtig“. Die anderen wurden größer, trainierter, sportlicher. Ich blieb weich, rund, schwerfällig. Ich war der, der beim Staffellauf zuletzt kam, der bei Gruppenarbeiten übrig blieb, der beim Klettern am Seil nicht mal den halben Meter schaffte.

Erst waren es Witze. Dann wurde es zum Sport. Mobbing als Schulalltag.

Sie riefen mir Beleidigungen hinterher, traten mir im Vorbeigehen gegen den Ranzen, fotografierten mich beim Umziehen. Und ich? Ich wurde still. Ich fraß es in mich rein – alles: den Schmerz, die Wut, die Scham.

Ich fing an zu fehlen. Mal ein Tag, dann zwei, dann eine Woche. Ich lag im Bett und starrte die Decke an. Manchmal stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich einfach nicht mehr da wäre. Aber ich hatte nicht mal die Kraft, das zu Ende zu denken.

Meine Noten rutschten ab. Lehrer fragten, was los sei. Ich sagte: „Nichts.“ Die Schulsozialarbeiterin versuchte, mit mir zu reden. Ich nickte nur. Es war zu spät. Ich hatte längst innerlich gekündigt.

In der neunten Klasse hab ich endgültig aufgegeben. Ich ging kaum noch hin. Irgendwann sagte mein Vater: „Mario, das geht so nicht weiter. Du brauchst eine Perspektive.“ Ich sagte: „Schule ist keine für mich.“

Ich hab die Schule abgebrochen. Kein Abschluss, kein Abiball, kein „Wir halten zusammen“ wie in Filmen.

Ich fing eine Ausbildung an – in einer kleinen Werkstatt, die Fahrräder repariert. Mein Chef sagt nicht viel, aber er schreit auch nicht. Die Leute dort lachen nicht über mich. Sie schauen mich an, wie jeden anderen. Es ist still dort. Ich mag das.

Manchmal sehe ich in der Bahn noch Leute von früher. Sie erkennen mich nicht. Oder tun so. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.

Ich hab nicht gewonnen. Ich hab auch nicht ganz verloren. Ich hab einfach aufgehört zu kämpfen, weil mich niemand verteidigt hat. Nicht mal ich selbst.

Aber ich steh wieder auf, jeden Morgen. Ich geh zur Arbeit. Ich lerne was. Ich bin nicht glücklich – noch nicht. Aber ich bin draußen. Raus aus der Hölle. Und vielleicht ist das fürs Erste genug.

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