Triggerwarnung: Mobbing, Hänseleien
Früher war alles einfacher.
Im Kindergarten war ich einfach ich. Ich liebte es, mich zu verkleiden – am liebsten als Prinzessin oder Fee. Ich mochte die bunten Kleider, die glitzernden Schuhe, die Schminke aus dem Bastelschrank. Niemand sagte mir, dass das falsch war. Die Erzieherinnen lachten, sagten: „Na, unsere kleine Glitzerfee ist heute wieder unterwegs.“ Ich fühlte mich gesehen. Nicht hinterfragt. Einfach echt.
Damals hatte ich noch meinen Deadname. Alle sagten, ich sei ein Junge. Ich verstand das irgendwie, aber es fühlte sich nie ganz richtig an. Nicht falsch, wie ein böser Irrtum – eher wie ein zu enges Hemd. Ein Name, der nicht zu mir passte. Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte. Ich hatte ja keine Worte dafür.
In der Schule wurde es anders. Da war plötzlich alles geteilt. Jungen da, Mädchen hier. Jungen spielen Fußball, Mädchen malen. Jungen tragen Hosen, Mädchen Röcke. Es gab keine glitzernden Feen mehr, nur Fußballkarten und Dinohefte. Ich passte nicht rein. Ich wollte nicht in dieser Jungen-Reihe stehen, in der Sportumkleide, in der Jungs-Gruppe für das Projekt. Ich war dort fehl am Platz, wie ein Puzzlestück in der falschen Schachtel.
Ich versuchte mitzuhalten. Ich spielte mit, lachte mit, sprach tief, lief schnell. Aber es fühlte sich hohl an. Wie Theater ohne Text. Und es machte mich müde. So müde.
Wenn ich allein war, stellte ich mir vor, ich wäre einfach ein Mädchen. Nicht, weil ich es „spielen“ wollte. Sondern weil ich es war.
Ich schrieb verschiedenste Mädchennamen in mein Tagebuch, malte kleine Figuren mit langen Haaren, mit meinem Gesicht. Es war mein Geheimnis. Mein sicherer Ort.
Aber Geheimnisse werden schwer, wenn sie zu lange allein getragen werden.
In der vierten Klasse fragte mich ein Junge, warum ich „so komisch“ rede. Warum ich nicht mit den anderen kämpfe oder rangel. Ich zuckte nur mit den Schultern. Irgendwann fingen sie an zu lachen, wenn ich sprach. „Mädchenstimme“, sagten sie. Ich redete immer weniger. Ich zog mich zurück. Im Spiegel begann ich, mich selbst nicht mehr zu erkennen.
Ich wollte weinen, aber ich wusste nicht wofür. Ich wusste ja selbst nicht, was mit mir los war. Ich hatte kein Wort für das, was ich fühlte. Nur dieses leise Wissen in mir: Das bin ich nicht. Aber ich bin auch nicht das, was sie erwarten.
Erst mit elf Jahren hörte ich zum ersten Mal das Wort „trans“. Es war in einem Video, das ich zufällig sah. Ein Mädchen sagte: „Ich bin im Körper eines Jungen geboren, aber ich bin ein Mädchen.“ Ich saß stundenlang da, das Handy in der Hand, und weinte. Weil ich zum ersten Mal das Gefühl hatte: Da ist jemand wie ich. Ich bin nicht allein. Ich bin nicht kaputt.
Ich bin ein Mädchen, das war mir ab da vollends klar. Ich bin trans und ich heiße Lena. Auch wenn ich da noch einen schweren Weg vor mir hatte.