Triggerwarnung: Gewalt, Mobbing

Ich war schon als Kind irgendwie anders. Nicht schlechter. Nicht weniger. Einfach anders.

Ich habe das Klinefelter-Syndrom (XXY) . Eine genetische Besonderheit, die dafür sorgte, dass mein Körper sich anders entwickelte als der meiner Mitschüler. Während die anderen Jungen in den Stimmbruch kamen, blieb meine Stimme hoch. Bis ich 14 war, klang ich wie ein Mädchen.

Als wäre das nicht schon genug gewesen, hatte ich auch Asthma. Für die anderen Kinder war das eine perfekte Angriffsfläche. Sie rotteten sich zusammen, um mich zu verspotten. Sie äfften meine Stimme nach, riefen mir auf dem Schulhof Beleidigungen hinterher, lachten mich aus.

Und ich? Ich konnte kaum etwas dagegen tun. Es traf mich mitten ins Herz. Und wenn ich mich zu sehr aufregte – wenn all der Spott zu viel wurde, die Angst, die Wut, die Hilflosigkeit – bekam ich einen Asthmaanfall. Ich rang nach Luft, fühlte, wie mir alles zu eng wurde. Und trotzdem hörte das Mobbing nicht auf.

Ich weinte oft – aber immer heimlich. Ich wollte nicht, dass jemand sah, wie sehr es mich verletzte. Ich wollte stark wirken, obwohl ich mich innerlich oft so schwach fühlte.

Aber etwas in mir weigerte sich aufzugeben. Ich habe gelernt, meine Andersartigkeit nicht länger als Makel zu sehen. Meine Stimme, mein Körper, mein Weg – sie waren nicht falsch. Sie waren einfach ich.

Mit 18 zog ich in eine neue Stadt. Niemand kannte meine Geschichte. Niemand wusste, was ich durchgemacht hatte. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wirklich frei.

Ich konnte neu anfangen. Ich war einfach ich – nicht der Außenseiter, nicht der mit der „Mädchenstimme“, nicht der mit dem Asthma. Einfach ich.

Später bekam ich von Freunden den Spitznamen „Hubi“. Zum ersten Mal war ein Spitzname ein Zeichen von Zugehörigkeit, nicht von Spott.

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