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Meine Coming-Out-Geschichte
(ADHS und Bisexualität)
Als ich 17 Jahre alt war, wusste ich, dass ich bisexuell bin. Alles begann damit, dass ich viel auf YouTube unterwegs war. Es wurde ein Video veröffentlicht, welches zur Gewalt gegen queere Menschen aufgerufen hat. Erst dadurch habe ich mich näher mit dem Thema „Queer sein“ auseinandergesetzt. Auf das Video folgten viele Reaktionen mit den Hashtags#loveislove und #wirgegenhomophobie, von denen ich mir sehr viele angeschaut habe. Wie es bei YouTube immer so ist, gelangt man von einem Video zum nächsten. Es wurden mir also Videos vorgeschlagen, in denen Leute sich geoutet haben und über ihre Coming-Out-Story erzählt haben. Darunter waren Marvyn Macnificent und Melina Sophie. Nachdem ich diese Videos geschaut habe, fragte ich mich selbst, wie meine Sexualität überhaupt ist. Mir wurde schnell klar, dass ich bisexuell bin, denn ich habe mich im Laufe meines Lebens sowohl in Mädchen als auch in Jungen verliebt. Mir war auch sofort klar, es muss am besten so schnell wie möglich raus. Ich wollte es jemandem erzählen und bei einer Freundin fiel es mir sehr leicht, da sie sich ebenfalls gerade selbst in dieser Phase befand. Wir wussten beide, dass wir nicht heterosexuell sind und konnten uns wunderbar darüber unterhalten. Es war eine unglaubliche Erleichterung für mich, damit so akzeptiert zu werden, wie ich bin. Ich habe dann angefangen, mich einzeln bei unterschiedlichen Freundinnen und Freunden zu outen. Manchmal fiel es mir leichter, manchmal etwas schwerer. Doch alle Reaktionen waren mehr als positiv. Ich wusste allerdings, dass es noch eine Gruppe an Menschen gab, bei denen es mir zutiefst unangenehm war, meine Familie.
An einem Nachmittag habe ich mich mit meiner besten Freundin bei mir zuhause getroffen, um sie als Unterstützung dabei zu haben, wenn ich mich bei meiner Mutter oute. Ich war unglaublich aufgeregt und konnte es irgendwie nicht. Dann bat ich meine Mutter nach oben in mein Zimmer und fragte sie, ob sie kurz Zeit hat. Diese Situation hat sich sehr merkwürdig angefühlt. Und auch ich merkte, dass meine Mutter dies genauso empfand. Als meine beste Freundin merkte, dass ich keinen vernünftigen Satz zustande brachte, übernahm sie die Verantwortung für mich und erzählte es meiner Mutter. In diesem Moment war es mir unglaublich peinlich und ich wollte am liebsten im Boden versinken. Ich wusste auch ihre Reaktion daraufhin nicht richtig einzuschätzen. Ihrer Worte nach war sie positiv und sie nahm mich auch in den Arm, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, in ihr sträubte sich etwas.
Danach hatte ich auch nicht mehr den Mumm, es meinem Stiefvater oder meinem Bruder zu erzählen. Meine Mutter hatte es ihnen dann erzählt, weil ich es auf gar keinen Fall machen wollte. Ich wollte nur, dass sie es wissen.
Die nächsten Wochen wurde dann nicht mehr über das Thema gesprochen.
Irgendwann war es dann so weit und ich hatte einen Freund. Spätestens da wussten es alle und er wurde sogar zum Essen bei meiner Familie eingeladen. Doch auch zu dem Zeitpunkt war es mir immer noch unangenehm. Es hat bei mir noch sehr lange gedauert, es vollständig zu akzeptieren. Es war ein langer Prozess, doch heute weiß ich, dass jede Sexualität genau so richtig ist, wie sie ist und dass man sich damit nicht verstecken sollte.
Genauso ist es mit meinem ADHS. Davon wusste ich erst 2022 Bescheid, als ich mich diagnostizieren lassen habe. Nachdem mein Bruder bereits im Kindesalter damit diagnostiziert wurde, hatte ich im Laufe meines Lebens nie darüber nachgedacht, es vielleicht auch zu haben. Ich wusste nur, dass ich schon immer anders war. Als Kind wurde ich oft schnell aggressiv und war manchmal stark überfordert und manchmal stark unterfordert. Ich hatte und habe immer noch Schwierigkeiten, Struktur für mich und mein Leben herzustellen. Ich habe mich in meiner Kindheit oft nicht willkommen gefühlt und wurde von einigen Gruppen ausgeschlossen, die mir das Gefühl gaben, ich wäre nichts wert. In meiner Jugend habe ich versucht, Anschluss zu finden und dies klappte nach meinem Outing als bisexuell tatsächlich ziemlich gut. Ich hatte auf einmal sehr viele queere Freundinnen und Freunde. Doch das hat mir nicht wirklich weitergeholfen, da ich nicht erkannte, wer es wirklich gut mit mir meinte. Mein ADHS sorgt oft dafür, dass ich jede Person, die ich gerade kennenlerne oder die einfach nur nett zu mir ist, sofort in mein Herz schließe und nicht erkenne, wenn ich ausgenutzt werde. Das bereitet mir bis heute immer noch viele Schwierigkeiten. Ich habe bis jetzt noch nicht allen Leuten von meinem ADHS erzählt, doch ich möchte mich auch damit nicht verstecken müssen. Es wird für mich sicherlich noch lange dauern, es vollständig zu akzeptieren, doch ein Outing hilft mir auf jeden Fall dabei. Ich hoffe, dass alle Personen, die das hier lesen, stark bleiben und zu sich selbst stehen können.
Ich möchte Dir auf den Weg
geben, nicht aufzugeben, denn Du bist ein Mensch, der geliebt wird und es verdient, glücklich
zu sein!