Mony berichtet: Mein Leben mit LRS

Hallo liebe Leute, ich bin Mony und bei mir wurde erst letztes Jahr aufgrund meiner Eigeninitiative LRS diagnostiziert.

Als Kind hat man nie mit mir eine solche Diagnostik vorgenommen mit der Begründung, „Ich würde lediglich Flüchtigkeitsfehler machen und ich müsste ja einfach nur mehr lernen.“ Ich habe also meiner gesamten Schullaufbahn niemals einen Nachteilsausgleich bekommen und wurde oft unter Druck gesetzt. „Ich müsse mich nur mehr anstrengen.“ Meine Familie gab sich dafür Mühe, ohne allerdings zu verstehen, dass das Problem ein anderes war. Dadurch hat sie leider oft Druck ausgeübt, obwohl sie eigentlich nur helfen wollte. Das führte dazu, dass ich immer dachte, ich sei zu dumm, um richtig zu lesen oder zu schreiben, weil ich in so vielen Dingen viel langsamer war als alle meine Mitschüler. Auch habe ich viele Fehler gemacht. Insbesondere die Groß- und Kleinschreibung, sowie die Setzung von Satzzeichen, insbesondere die Kommasetzung waren bei mir so gut wie nie korrekt.

Dadurch habe ich, egal, wie oft ich gelernt habe und wie sehr ich mich angestrengt habe, schlechte Noten, insbesondere im Deutschunterricht, bekommen. Da ich allerdings immer sehr gut darin war, zu sehen, wenn ein Wort „komisch“ aussah, sind die meisten Wörter von mir meist tatsächlich richtig geschrieben worden. Nur die Groß- und Kleinschreibung und die Sonderzeichen waren immer verkehrt. Das erhärtete natürlich den Verdacht der Lehrkräfte und meiner Familie, ich würde einfach nur nicht genug lernen und Flüchtigkeitsfehler machen oder einfach belehrungsresistent sein. So paradox es klingen mag: In gewisser Weise hatte ich also das Gefühl, dafür bestraft zu werden, Dinge weitestgehend richtig zu machen, aber eben nicht perfekt, weshalb sich im Laufe der Zeit ein gewisser Perfektionismus bei mir eingeschlichen hatte, von dem ich heute weiß, dass es nicht gesund ist, immer alles perfekt machen zu wollen, denn das wird nicht funktionieren.

In den letzten Jahren habe ich über den zweiten Bildungsweg meinen Realschulabschluss, meine Fachhochschulreife und mein Abitur abgeschlossen und studiere heute soziale Arbeit. Im Studium sagte mir ein Kommilitone, ich solle mich unbedingt mal auf LRS testen lassen, da meine Art und Weise, wie ich schreibe, möglicherweise ein Symptom davon sein könnte. Dieser Empfehlung bin ich gefolgt und habe mich mit 29 Jahren einer Diagnostik für LRS unterzogen. Erst da wurde bekannt, dass ich LRS habe.

Meine Gefühle diesbezüglich waren gemischt. Auf der einen Seite war ich froh, endlich eine Erklärung zu haben, warum ich mich immer so angestrengt habe und es doch nicht geschafft habe, endlich mal eine 1 In Deutsch zu bekommen. Auf der anderen Seite war ich unfassbar frustriert, denn es bedeutet, dass all die Bemühungen, endlich mal eine richtig gute Note in Deutsch zu bekommen, als Kind ohne diesen Nachteilsausgleich unmöglich waren, weshalb all meine Selbstzweifel und mein Selbsthass in all den Jahren völlig ungerechtfertigt waren. Es würde einfach bedeuten, dass ich es einfach nicht hinbekommen werde, bessere Ergebnisse als diese, die ich ja bereits leiste, abzugeben, solange man meine Rechtschreibung mitbeurteilen würde. Glücklicherweise ist es auch im Studium möglich, einen Nachteilsausgleich zu bekommen, der die Rechtschreibung außen vorlässt und nur die Textformulierung bewertet.

Dadurch habe ich zum allerersten Mal in meinem Leben keine Angst mehr davor, schriftliche Ausarbeitungen abzugeben, wie beispielsweise Portfolio oder Hausarbeitsprüfungen, sondern ich weiß, dass man mich nach dem benoten wird, was ich wirklich leiste und nicht nach dem, was meine Behinderung daraus macht. Eine LRS wird als Behinderung klassifiziert, wenn sie erst nach der Schule diagnostiziert wird.

Lange Rede, kurzer Sinn. An alle Menschen, die mit LRS leben: Ihr seid nicht dumm, nur weil ihr irgendwelche Satzzeichen nicht richtig setzt oder die Groß- und Kleinschreibung vertauscht. Ihr seid auch nicht dumm, nur weil manche Wörter nicht richtig geschrieben sind. Ihr könnt trotz dessen alles schaffen, was ihr euch vornehmt, und heutzutage helfen viele Programme dabei, diese Behinderung oder diese Schwäche auszugleichen.

Die Diagnose hat bei mir dafür gesorgt, dass ich mich selbst wesentlich lieber habe und nicht mehr so sehr an mir zweifle, sondern mir eher meine Fähigkeiten der Problembewältigung vor Augen führe. Eben, weil ich wusste, dass ich Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung habe, habe ich mich irgendwann unterbewusst darauf konditioniert, zu schauen, ob Wörter „richtig“ oder „falsch“ aussehen. Dadurch habe ich meine Schwäche bzw. Behinderung in gewisser Weise kompensiert und das ist eine Stärke, keine Schwäche. Schaut nicht auf das, was ihr nicht könnt. Schaut auf das, was ihr leistet, was ihr besonders gut könnt und was euch einfach anders macht. Denn wir alle sind anders und niemand ist gleich. #andersgleichanders

Lennis Dohlich

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published. Required fields are marked *.

*
*
You may use these <abbr title="HyperText Markup Language">HTML</abbr> tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>