


Hallo,
Ich bin Anna, 33 Jahre jung und habe letztes Jahr im Job die Branche gewechselt. Warum ich das erzähle und was das mit dem Mobbing zu tun hat?
Nun ja, letztes Jahr hatte ich auf einmal ganz viel Zeit. Weniger Arbeitsstunden etc.
Und vor allem; viel Zeit für mich selbst.
Und genau da kam irgendwie vieles wieder hoch. Und ich frage mich bis heute: Warum eigentlich jetzt?
Es hat damals alles in der Grundschule angefangen. Ich war in einer Sprachheilklasse in einer größeren Kleinstadt bei meinen Eltern in der Ecke. Dort hatte ich einen besten Freund.
Wir haben immer zusammen gespielt und auch in der Freizeit viel zusammen unternommen. Da ging ich auch noch gerne zur Schule. Es machte mir Spaß. Aber leider gab es auch dort schon Neider.
Einem Mädel passte das nicht. Einmal war Feueralarmprobe oder so, da mussten wir eben raus. Und dann habe ich gesehen, wie dieses Mädchen mein Diktat durchgestrichen und zerrissen hat.
Einmal hatten die Jungs aus unserer Klasse uns im Spiel verheiraten wollen und warfen Blüten auf uns. Ich mochte das nicht.
Und dann kam der Schulwechsel. Von der einen Schule auf die ganz normale Grundschule. Meine Eltern wollten das erst nicht. Aber ich wollte das unbedingt. Endlich keiner aus unserem Dorf.
Ich habe mich echt gefreut.
Doch dann kommt das Aber. Damals bin ich aufgrund meiner Entwicklung erst mit acht Jahren eingeschult worden. Ich hatte einen gespaltenen Gaumen und man verstand mich durch den Sprachfehler kaum.
Viele mochten mich nicht. Aber es gab ein paar Mädchen, die mich immer dazu geholt haben und ich fing durch eine ehemalige Klassenkameradin auch mit dem Reiten an.
Später war ich in der Musikschule mit Blockflöte und hatte dadurch eine Zeitlang eine „beste“ Freundin gehabt.
Und ja, in der Schule wurde es nicht besser.
Und dann kam der Schulwechsel auf die Hauptschule. Da kam dann ein Mädchen in die Klasse, die auf meiner Grundschule in der Parallelklasse war.
Zum Anfang haben wir uns gut verstanden und dann ging es los.
Ihr passte nicht, dass ich schüchtern war, anders gekleidet, dass ich mich einfach nicht anpasste, weil ich Dick war, zumindest in deren Augen. Wenn ich mir Fotos ansehe, sehen die ganz anders aus.
Sie hatte alle gegen mich aufgehetzt und mir jegliche Freundschaften genommen, selbst die Freundin, mit der ich seit der Grundschule befreundet war. Es hieße, ich kommandiere die anderen rum.
Einmal wollte sie mir auch eine scheuern und hat mir ein Bein gestellt.
Ich wollte das vor meiner Lehrerin erst nicht zugeben, später dann aber doch, und dann kam der Satz: „Ja, jetzt ist es zu spät, damit hättest du früher ankommen sollen.“
Einmal hatte ich eine richtig coole Jacke an. So eine College Jacke. Hatte die damals von meinem Cousin.
Ich habe die geliebt, bis alle gesagt haben, sie sei hässlich. Das sagten sie übrigens auch täglich zu mir ins Gesicht.
In einem Englischunterricht hatte ich ein Shirt an, auf dem Sport stand.
Das doofe Mädchen hatte laut getuschelt. Meine Englisch Lehrerin hatte mich lautstark verteidigt. Das war aber auch die einzige Lehrerin.
Dass ich in der Zeit ein gestörtes Essverhalten hatte und mich immer mehr und mehr zurückzog, interessierte niemanden wirklich.
Meine Familie war damals übrigens mein Halt. Meine eigene Welt.
In der achten Klasse ging ich dann von der Hauptschule in ein Sprachheilzentrum nach Wilhelmshaven.
Dort gab es auch eine Sache, aber dort war der Klassenzusammenhalt mit den Mitschülern viel größer.
Meine Mama sagte mir, dass sie mich dann sowieso von der Schule nehmen wollte.
Das Jahr hat mir gutgetan. Ich lernte meine Sprache neu und habe viel Sport gemacht und sogar abgenommen.
Von dort habe ich sogar noch eine langjährige Freundin, mit der ich heute noch im Kontakt bin.
Danach hatte ich eine OP am gespaltenen Gaumen, die das Sprechen erleichtern sollte. Auf dem Sprachheilzentrum wollten die das nicht. Aber meine Eltern haben alles gegeben, damit mir dies aus der Hauptschule nicht noch mal passiert.
Danach war ich auf der Förderschule und habe meinen Förderschulabschluss gemacht. Natürlich gab es auch dort doofe Menschen, vor allem eine, die es von Anfang an auf mich abgesehen hat.
Mein Klassenlehrer damals meinte zu meiner Mutter: „Ihre Tochter ist ja schon 18. Also muss sie selbst damit klarkommen. „
Das war nur ein Jahr. Danach ging es auf die BBS. Ich startete den Versuch, den Hauptschulabschluss nachzumachen, der nicht geklappt hat.
Das war ein relativ ruhiges Jahr, da niemand von denen in meinem Dorf lebte.
Danach ging es nach Husum ins BBW, um eine eventuelle Ausbildung anzustreben. Das war ein schönes Jahr. Da war ich glaube ich 19 oder so.
Da habe ich mich übrigens auch das erste Mal verliebt. Leider hat es nicht gehalten, da ich nur ein Jahr dort war.
Hatte Aber dort für diese Zeit tolle Freunde gehabt. Es war immer lustig.
Und in der Zeit hatte ich ein Praktikum in der Lebenshilfe in Tostedt gemacht. Das Arbeiten hat mir überhaupt nicht gefallen.
Und dann kamen die wfbm, ich nenne sie jetzt mal: Elbe Werkstätten.
Dort haben wir mich angemeldet.
Der Start war sehr schwierig, weil ich auch da sehr eingeschüchtert war.
Aber ich hatte zum ersten Mal miterlebt, dass es noch andere Menschen gibt, die eine Behinderung haben und dass es absolut nichts Schlimmes ist.
Da habe in der Berufsschule damals eine Freundin kennen gelernt, von der ich auch dachte, dass sie meine „Freundin“ sei.
Sie war hinterhältig, manipulativ, zickig und schob alles auf mich. Sie war nicht zufrieden mit meinem Kleidungsstil.
Ich war Dick. Und genau da fing ich an, mir alles anzufressen. Muss da so ungefähr 23 gewesen sein.
Das ging ein paar Jahre. Ich checkte es einfach nicht.
Meine Mutter sagte vor einiger Zeit noch: „Ich weiß ganz genau von deiner Laune her, dass Du bei dieser Person warst.“
Sie verstand auch nicht, dass ich noch mit 23 bei meinen Eltern lebte.
Dann lernte ich ihre Freundin kennen. Sie ist einfach ein komplett anderer Mensch.
Mittlerweile haben wir wieder Kontakt, aber ohne die andere Frau.
Das ging bis 2014 so. 2013 lernte ich meine heutige beste Freundin kennen, ebenso auch meinen heutigen besten Freund.
Dieses eine Mädel hat uns auseinandergebracht, falsche Wahrheiten erzählt und einen Streit ausgelöst, weil ich auch andere Leute kannte. (Dadurch habe ich meine Essstörung wieder bekommen)
Wir hatten längere Zeit keinen Kontakt deswegen. Haben uns aber ausgesprochen und jetzt geht es nicht mehr ohne einander.
Natürlich existiert diese Frau heute auch noch und ich weiß aus vielen Erzählungen von anderen, dass sie sich niemals ändern wird. Aber sie hat heute keinen Platz mehr in meinem Leben.
Gehen wir doch noch mal wieder zurück in das Berufliche.
Ich wollte immer in Richtung Küche oder so, in die Fußstapfen meiner Mama treten.
Dass es eine harte Branche ist, war mir nicht klar. War bisher in drei Betrieben. Aber an zwei kann ich mich ganz gut erinnern.
Die Kita.
Am Anfang war noch alles schick. Es hat Spaß gemacht, bis dann dieser eine Chefkoch kam und mich alles machen lassen hat, was ging. Er hat alles mir in die Schuhe geschoben.
Ich musste den kompletten Abwasch machen.
Die ehemalige Leitung meinte auch mal, ich sei nur geduldet. Und das hat mich traurig gemacht.
Irgendwann ist es mit meinem Ex-Chef eskaliert und ein paar Monate später bin ich gegangen.
Und wohin? In ein hamburger Theater. Die haben dort zwei Restaurants und ich war da am Anfang mit zwei anderen von meiner wfbm. Mit einer bin ich heute auch noch im Kontakt. Es war eine superschöne Zeit. Ich lernte, ich selbst zu sein und habe viele neue Dinge gelernt. Ich konnte den Hamburger Stadtteil von einer ganz anderen Seite sehen und habe viele verrückte Menschen kennengelernt, welche ein offenes Ohr hatten.
Doch dann kommt das Aber:
Ich kam mit dem Umgang am Arbeitsplatz leider nicht mehr so gut mit meinem Chef klar. Es ist eine harte Branche, wo man sehr schnell ausfällig werden kann.
Musste am Ende immer länger bleiben, meine Ernährung litt extrem. Es wurde mir einfach zu viel.
Ich hatte keine Zeit mehr für meine Eltern, Familie, Freunde und für meine Freizeit erst recht nicht mehr. Musste häufig schwere Sachen tragen
2021 habe ich dann Reha beantragt und wurde auch genehmigt. Das hat mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ich glaube ja bis heute: Hätte ich die Reha damals nicht gemacht, hätte ich damals womöglich an Burnout gelitten. Im Dezember dann der letzte Lockdown. Und da habe ich gesagt: „Ich will nicht mehr in der Gastro/Küche arbeiten.“
Der Abschied fiel mir echt nicht leicht.
Aber ich habe den Schritt gewagt.
Meine jetzige Inklusionsbegleitung hatte mir den Vorschlag gemacht: „Anna, was halten Sie von einem Praktikum in der Pflege?“
Pflege? Ich?
Gesagt getan. Seit etwas über einem Jahr bin ich dort.
Die Arbeit im Service macht mir Spaß. Ich habe von der wfbm sogar noch drei andere Kolleg/innen und wir verstehen uns super.
Pflege ist ein komplett anderes Pflaster.
Die Zeit läuft einfach anders. Der Ton ist angenehmer. Mir geht es sehr gut damit.
Da kommen wir natürlich wieder ganz zum Anfang.
Ich hatte freizeitmäßig wieder mehr Zeit für Freunde. Ich habe Freundschaften wieder vertieft und neue dazugewonnen. Ich wollte einen Sport machen, der mir Spaß macht und habe durch einen Freund den Handballsport entdeckt und diese super tolle Inklusionsmannschaft.
Letztes Jahr habe ich den Verein „Anders? = Anders!“ entdeckt. Einfach weil ich dachte: Es muss doch noch Menschen geben, die einfach anders sind. Und dadurch eben.
Deshalb weiß ich Freundschaften umso mehr wertzuschätzen.
In den letzten Wochen kam dann so ein Gefühl auf, ich glaube das nennt sich:
„Endlich angekommen“
Nächste Woche habe ich übrigens meine erste Therapiesitzung.