Pridecess stellt vor: Willow – ein bezaubernder netter Mensch, der unseren Verein bereichert!

A=A: „Hallo, Willow. Das ist ein recht ungewöhnlicher Name, nicht wahr?“

Willow: „Vor allem für einen „Jungen“, oder? (Lacht*)

A=A: „Wie kommt‘s?“

Willow: „Nun, eigentlich ist es ziemlich einfach. Ich habe mir diesen Namen selbst ausgesucht. Ich bin nämlich non-binary.“

A=A: „Was bedeutet non-binary?“

Willow: „Übersetzt heißt es „nonbinär“. Das bedeutet, dass mein Gender, also mein soziales Geschlecht außerhalb des klassischen Gender-binärem „Mann“- „Frau“ liegt. Auch, wenn ich biologisch männlich bin, spiegelt das nicht mein soziales Geschlecht wider. Leider wird dir in unserer westlichen Kultur ein soziales Geschlecht zugewiesen, dass deinem biologischen Geschlecht entspricht und einen ganzen Rattenschwanz an sozialen Erwartungen mit sich zieht. Ich habe keinen Bock auf diese Erwartungen. Ich bin kein klassischer Mann. Ich habe starke feminine und androgyne Charakterzüge an mir. Non-binary bezeichnet also Genderidentitäten, die entweder zwischen den Extremen „Mann“ und „Frau“ liegen oder komplett außerhalb dessen. Es ist ein Umbrella-Term, der eine Vielzahl von Identitäten umschließt. Das reicht von bigender, zu genderfluid, zu genderqueer, zu nongender; aber auch non-binary selbst reicht als Identität völlig aus.“

A=A: „Wann hast du denn festgestellt, dass du nicht den klassischen Gendernormen entsprichst?“

Willow: „Eigentlich ist mir schon seit ein paar Jahren klar, dass ich nicht klassisch maskulin bin. Aber ein Wort dafür habe ich erst etwa zu der Zeit finden können, als ich ebenfalls festgestellt habe, dass ich bisexuell bin. Mit 21.“

A=A: „Aber wenn dir dein Anderssein in dem Belang vorher schon bewusst war, warum hast du erst vor recht kurzer Zeit eine Identität für dich entdeckt?“

Willow: „Es ist ganz simpel. Vorher war mir gar nicht bewusst, dass es Begrifflichkeiten für das gibt, was ich fühle.“

A=A: „Und was hat dich darauf stoßen lassen?“

Willow: „Eigentlich ist es recht witzig. Ich habe einige Monate vorher angefangen Critical Role anzuschauen, die größte D&D Webshow der Welt zu schauen, in der es einen Charakter gab, der voller Farbe, Eleganz, Selbstbewusstsein und Extravaganz war und ich habe mich noch nie einem fiktionalen Charakter derartig verbunden gefühlt. Und dann ist mir zu Ohren gekommen, dass dieser Charakter genderfluid ist, also er ständig zwischen maskuliner, androgyner und femininer Präsentation wechselt, je nachdem wie er sich fühlt. Und plötzlich war es, als wären die Puzzle-Teile plötzlich an die richtigen Stellen gefallen. Mir war klar: Das passt.

A=A: „Bedeutet das, dass du auch genderfluid bist?“

Willow: „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich hatte noch nicht wirklich genügend Zeit und Gelegenheit, mich wirklich auszuprobieren. Ich habe gerade noch eine ganz große Welle an anderen Herausforderungen, denen ich mich zuerst noch stellen muss.“

A=A: „Was für Herausforderungen, wenn ich fragen darf?“

Willow: „Vor allem meine mentale Gesundheit. Die hat besonders durch das Mobbing, das ich während meiner Schulzeit erfahren habe (und auch einige weniger als angenehme Erfahrungen) in den nachfolgenden Jahren sehr gelitten. Das äußert sich bei mir zum Großteil in Minderwertigkeitsgefühlen, Anxiety und depressiven Verstimmungen. Und es fällt mir schwer, mein neues – wahres Ich – zu sein, solange ich noch mit diesen Herausforderungen zu kämpfen habe.“

A=A: „Auf welche Art und Weise bist du denn gemobbt worden?“

Willow: „Auf die eine oder andere Art und Weise war ich schon immer anders als die Anderen. Vor allem Kinder in meinem Alter. Ich hatte immer ein Händchen für Menschen, die älter oder jünger als ich gewesen sind, aber selten für die, die gleichalt waren. Es fiel mir oft sehr schwer, mich selbst in dieser sozialen Situation zu navigieren, weil ich sie einfach nicht verstanden habe. Und unterstützt dadurch, dass ich kleiner und schmächtiger, sowie etwas naiv, Scheidungskind, aus ärmlichen Verhältnissen stamme und generell einfach irgendwie anders war, wurde ich ein sehr leichtes Opfer. „Hässlich“, „nervig“, generell einfach „nicht gut“, „Loser“, „Opfer“, und „schwul“, waren Worte die ich häufig gegen den Kopf geworfen bekommen habe, von der physischen Gewalt zu schweigen. Ich wurde nie wirklich direkt verprügelt. Es war subtiler als das. Gänzlich körperlich unversehrt bin ich nämlich nicht entkommen. Wahrscheinlich auch dadurch, dass ich mich selten selbst gewehrt habe. Wie hätte ich auch sollen? Alle waren größer als ich, stärker und natürlich generell mehr als ich. Ich hatte zu wenig Leute, die sich auf meine Seite stellen konnten.“

A=A: „Du hast gesagt, du wurdest von deinen Mitschülern als „schwul“ bezeichnet. Warst du zu dem Zeitpunkt offen homosexuell?“

Willow: „Nein, tatsächlich nicht. Und um ehrlich zu sein, das Mobbing hat mich weit weg davon getrieben, meine Anziehung gegenüber männlichen Menschen zu erkennen. Ich wollte mir keine weiteren Zielscheiben auf die Stirn schreiben, keine anderen Angriffsflächen geben.“

A=A: „Das bedeutet, du hattest zu dem Zeitpunkt keine positive Wahrnehmung von Homosexualität?“

Willow: „Leider nein. Aufgrund meines Umfeldes haben mir positive Beispiele für queere Menschen gefehlt und nur negative Dinge damit verbunden. Verfolgung, Benachteiligung, Ächtung. Ich persönlich hatte nie eine Abneigung gegenüber Menschen der LGBTQIA+-Community. Aber ich wollte nicht damit assoziiert werden. Denn ich kannte keine Person, die mich in Queer-Spaces integrieren konnte; die mir zeigen konnte, dass Anderssein was Tolles wäre.“

A=A: „Wie hat sich diese Erfahrung sonst noch auf dich ausgewirkt?“

Willow: „Alles, wofür ich Leidenschaft hatte, wurde mir genommen. Ich liebe Musik, Literatur, Theater. Ich würde mich als sehr kreative Person beschreiben. Allerdings ziehen diese Leidenschaften mit sich, dass, wenn man sie ausleben möchte, sich auch präsentieren muss, auf der Bühne stehen muss und von allen gesehen wird. Eine größere Zielscheibe kann man nicht bieten. Wenn ich mir auch nur den kleinsten Fehltritt erlaubt hätte, wäre ich zerrissen worden. Also habe ich mich versteckt. Ich habe mich zurückgezogen. Ich habe mich in einen mächtigen Kokon eingesponnen. Ein Kokon, um mich selbst zu schützen. Hauptsache nicht anders sein. Hauptsache nicht auffallen. Hauptsache keine Zielscheibe bieten. Das bedeutet, dass es mir nicht möglich war, mich in meinem Teenageralter selbst zu finden und meinen Leidenschaften nachzugehen. Und ich hole das jetzt erst langsam nach. Ich sage ganz gerne, ich mache erst jetzt meine emotionale Pubertät durch. Und ich freue mich auf den Tag, an dem ich als wahres Ich, als Schmetterling aus meinem Kokon ausbrechen kann.“

A=A: „Was hast du gemacht, als du die ersten Schichten dieses Kokons aufgebrochen hast, als du festgestellt hast, dass du non-binary bist?“

Willow: „Ich bin als Erstes in einen Drogeriehandel gegangen und habe mir Kajal gekauft“ (lacht*)

A=A: „Das bedeutet also, dass du zu einem gewissen Grad schon als dein queeres Ich leben kannst, nicht wahr?“

Willow: „Ja. Ich verlasse selten ohne Eyeliner und Nagellack das Haus. Allerdings bin ich nicht mehr so naiv, wie ich als Schulkind gewesen bin. Ich denke, ich kann ganz gut abschätzen, wo ich da Risiko als „Mann“, vor allem auf dem Land, geschminkt zu sein, eingehen kann und wo nicht. Im familiären und freundschaftlichen Umfeld, sowie in meiner Berufsschule und in der allgemeinen Öffentlichkeit, in der mich keiner kennt, bin ich geschminkt unterwegs. Beim Sport oder unter Leuten, die mich eventuell flüchtig kennen, deren Reaktion ich aber nicht einschätzen kann, mache ich das nicht. Dafür habe ich zu oft mit Bedrohungen kämpfen müssen, und ich bin noch nicht davon überzeugt, mich ausreichend verteidigen zu können, sollte es zu Auseinandersetzungen kommen. Das ist immer ein Konflikt zwischen Selbstbewusstsein und Selbstpreversation. Und durch meine Vorerfahrungen bin ich etwas übervorsichtig. Doch daran arbeite ich aktuell, unter anderem dadurch, dass ich diesem Verein beigetreten bin.“

A=A: „Wo du’s erwähnst, wie bist du denn auf unseren Verein gestoßen?“

Willow: „Mein Freund und Mitschüler Lennis, der ebenfalls bei Anders=Anders tätig ist, und ebenso wie ich bei unseren Partys als Tänzer fungiert, hat mich darauf gestoßen. Ich war sofort “geflashed“ davon, wie nett und freundlich ich gleich von Anfang an aufgenommen wurde. So etwas hatte ich noch nie erlebt. In diesem Verein fühlte ich mich sofort wie zu Hause. Das hätte ich nie für möglich gehalten, schon gar nicht während der Pandemie, wo mein Herz immer einsamer zu werden schien. Ach ja, und noch einmal zu Lennis: Wie er mache ich gerade meine Ausbildung zum Sozialpädagogen.“

A=A: „Was hat dich denn dazu getrieben, dieser Ausbildung nachzugehen?“

Willow: „Mir haben positive queere Vorbilder gefehlt, während ich aufgewachsen bin. Mir haben Räume gefehlt, in denen Anderssein als etwas Positives dargestellt und vorgelebt worden ist. Mein Ziel ist, künftigen Kindern und Jugendlichen diesen Raum zu geben und ihnen zu zeigen, dass es nichts Cooleres gibt, als anders zu sein; als ein Individuum, ein bunter Pfau unter grauen Hühnern. Es braucht Jugendräume, die Kindern, die sich ausgeschlossen fühlen aufgrund dessen, dass sie queer sind, neurodivergent sind, einer Minderheit angehören, oder Mitglied einer Subkultur sind ein sicheres Umfeld geben. Solange sie keinen anderen Minderheitengruppen schaden wollen, versteht sich.
Andersgleichanders als Verein will genau diese Räume schaffen und ich werde hier den Aufbau begleiten, damit es niemandem mehr so gehen muss wie mir!“

A=A: „Gibt es noch etwas, dass du unseren Lesern und den zukünftigen Menschen, mit denen du arbeiten willst, sagen möchtest?“

Willow: „Es ist absolut ok, wenn ihr euch noch nicht selbst gefunden habt. Wenn ihr euch selbst noch herausfinden müsst. Wenn ihr noch Zeit braucht, mit eurem wahren Ich umzugehen. Lasst euch Zeit, vielleicht ändert es sich auch mit der Zeit. Vielleicht trifft eines Tages ein Label, mit dem ihr euch identifiziert habt, nicht mehr auf euch zu, sondern ein anderes viel besser. Aber vergesst nicht:
Nur ihr selbst dürft euer Label definieren.
Es ist ein Deskriptor – also eine Beschreibung und nicht eine Vorschrift also kein Präskriptor. Niemand hat euch vorzuschreiben, wie ihr eure Identität zu leben habt. Denn am Ende des Tages ist die einzige Person, vor der ihr euch rechtfertigen müsst, diejenige, die euch im Spiegel entgegenblickt. And don’t forget to love each other. “

A=A: „Vielen, vielen Dank für das sehr offene Gespräch. Toll, dass Du Teil des Teams bist!“


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