Bin ich schwul, oder was?

Hey Ihr Lieben,

mein Name ist Lennis, mein Nickname ist „Hummeleisbär“ und ich bin auf dem Dorf groß geworden. Ich habe schon immer gemerkt, dass ich anders bin, weil Andere immer zu mir gesagt haben, wie mädchenhaft und seltsam ich bin. In der Grundschule habe ich es nie geschafft, in den Bundesjugendspielen eine andere als die Teilnehmerurkunde zu bekommen und ich habe immer gesehen, wie sportlich die anderen Jungen waren. Zu dieser Zeit habe ich sowohl AC/DC als auch Lady Gaga geliebt und mir jeden Tag ihre Lieder angehört, wozu ich dann auch immer in meinem Zimmer abgegangen bin. Das fanden die meisten komisch, es passte in ihren Köpfen einfach nicht zusammen.

Ein typischer Jungensport war Fußball, wozu ich mich selbst später auch gezwungen habe. Als ich dann öfter beim Training dabei war, habe ich jedoch gemerkt, dass es nicht meine Welt war; der Umgang, diese Aggressivität, das harte Training, all das war nichts für mich. Ich war immer schwächer, weicher und sensibler als andere Jungen, weswegen ich mehrmals gemobbt wurde. Ich trat also den Pfadfindern bei, weil ich gehört habe, wie cool es dort sein soll; auf die Zeltlager habe ich mich allerdings das erste Mal mit 10 Jahren getraut, wo ich auch direkt in ein Zelt mit Kindern kam, die mich geärgert haben und mir wieder das Gefühl gegeben haben, anders zu sein.

Wenn ich Zuhause bei meiner besten Freundin war, spielten wir mit Schleich-Figuren, also mit Rittern, Pferden und Elfen; für mich war das ganz normal, aber für die Anderen war es komisch. Die Barbie-Filme haben mir auch immer gefallen und als ein Mädchen in meiner Grundschule einmal eine Barbiepuppe bekam, die sie nicht mochte, fragte sie, wer die haben möchte. Ich meldete mich und nahm sie dankend an. Von den anderen Kindern habe ich dafür nur schiefe Blicke und dämliche Sprüche kassiert, genauso wie von meinen Eltern, weswegen ich diese Puppe spaßeshalber meinem Stiefvater zu Weihnachten schenkte.

In meiner Jugend habe ich immer widergespiegelt bekommen, dass ich anders bin, seien es Ungeschicklichkeiten bei handwerklichen Tätigkeiten, meine Vorlieben, meine Hobbies, mein Musikgeschmack, mein Aussehen, mein Verhalten, etc. Erst als ich 17 war, merkte ich, dass ich mich auch in Jungen verliebe. Ich bin auf dieses Thema nur gestoßen, weil ein Hetzvideo von einem bekannten YouTuber veröffentlicht wurde, wodurch in Deutschland die Hashtags #wirgegenhomophobie und #loveislove ins Leben gerufen wurden. Erst dann habe ich mir Outing-Videos angeschaut und mich selbst gefragt, wie es wohl bei mir aussieht. Plötzlich wurde mir alles klar, denn wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, war ich bereits öfter in Jungen verliebt; ich wusste nur nie, dass das geht, also habe ich immer nur gedacht, dass ich mit den Jungen unbedingt befreundet sein wollte. Hätte mir das mal jemand früher gesagt, dass ich genauso Jungen wie Mädchen lieben kann oder besser gesagt, ich einen Menschen lieben kann, egal welches Geschlecht dieser hat, dann hätte ich es spätestens in der dritten Klasse gewusst, als ich mich in einen Jungen aus der Schule verliebte. Ich habe diese Seite von mir also nicht gekannt und mich stattdessen nur in Mädchen verliebt. Als ich mich dann mit 17 mehr mit diesem Thema auseinandersetzte, war ich mir sicher, bisexuell zu sein. Ich wollte es nicht für mich behalten und erzählte es meinen engsten Freund*Innen; das alles war mir dann aber sehr unangenehm. Zum Glück nahmen sie es gut auf und nun hatte ich nur noch den Druck, es meinen Eltern zu sagen. Das fiel mir am schwersten, sogar so schwer, dass eine Freundin von mir übernehmen musste und es meiner Mutter sagte, die es später an meinen Stiefvater weitergab. Ich weiß ehrlich nicht, wie ich ihre Reaktion auffassen sollte, denn als ich beschloss, mich öffentlich zu outen, kam von ihr keine Unterstützung, da sie der Meinung war, man könne mich zusammenschlagen, wenn ich es tue. Danke dafür, das hat meinen Selbstwert erheblich gesteigert …

Hier auf dem Dorf gab es dann immer merkwürdige Blicke und ich konnte mich gar nicht richtig wohlfühlen. In der Schule gab es dann auch abfällige Sprüche von Schülern aus dem Jahrgang unter mir. Wie respektlos ist das bitte? Jedenfalls konnte ich das erste Mal einen CSD erleben, wo ich gemerkt habe, dass es dort niemanden interessiert, wen man liebt. Das war ein sehr schönes Gefühl, weil ich keine Selbstzweifel hegen musste, sondern mich einfach mal frei fühlen konnte, so wie ich bin.

Nach meinem Abitur zog ich in die Stadt Kiel, was eine sehr große Umstellung für mich war, besonders die Menschen waren ganz anders als in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Alle waren so aufgeschlossen, offen und es war völlig normal, nicht heterosexuell zu sein; es gab sogar mehrmals im Monat Gay-Partys. Da Tanzen mein Leben ist, wollte ich keine Party verpassen und habe versucht, überall dabei zu sein. Ich habe mich so wohlgefühlt. Beim Tanzen habe ich mich schon immer pudelwohl gefühlt und es war mir egal, was Andere dazu sagen. Durch das Tanzen habe ich allerdings auch immer aus der Masse herausgestochen, weil es ja eher untypisch für Jungen war, so frei und so gerne zu tanzen. Tanzen macht mich glücklich und das ist alles, was für mich zählt. Anders zu sein, kann durchaus eine Herausforderung sein, besonders, wenn man auf einem Dorf groß wird, aber ich kann Euch allen sagen: Seid anders, seid gerne anders und lebt das, was Euch glücklich macht, ohne Euch von Anderen einschränken zu lassen; es gibt so viele Menschen, die Euch gerade für Euer Anders-Sein bewundern, also: Malt Bilder, singt Lieder, macht ungewöhnliche Sportarten, macht das, was Euch beglückt, tanzt Euch erstmal aus, dann schauen wir weiter 😉.


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