


Meine Mobbing-Geschichte enthält eine furchtbare Wahrheit, die ich bis heute mit niemandem geteilt habe. Ich möchte all jene warnen, die sich getriggert fühlen könnten, bitte nicht weiterzulesen. Seitdem ich den Bericht geschrieben habe, kommen so viele Erinnerungen hoch, dass ich merke, ohne professionelle Hilfe komme ich da nicht weiter.
Ich habe mit dem Team von Anders? = Anders! lange überlegt, ob ich meine Erfahrungen dennoch veröffentlichen sollte. Wir alle sind zum Schluss gekommen, dass es wichtig ist, zu zeigen, wie weit Mobber gehen können. Mein Name ist Arvid und ich wurde von meinem Mobber vergewaltigt.
Ich wurde im dystopischen Jahr 1984 geboren.
Bei meiner Geburt gab es Komplikationen, sodass mein Gehirn einige Zeit sauerstoffunterversorgt war. Dies führte dazu, dass ich in der ehemaligen DDR als lernbehindert/intelligenzgemindert galt und so von Anbeginn auf Förderschulen geschickt wurde. Dass ich nicht sprechen lernen wollte, lag aber daran, dass ich Autist bin, doch diese Diagnose erhielt ich persönlich erst im Jahr 2017, während meine Eltern diese Diagnose schon nach einem Kuraufenthalt, den ich mit 10 Jahren hatte, kannten. Das heißt, meine Eltern wollten keinen autistischen Sohn haben, weswegen sie mir diesen Part immer verschwiegen und sagten, ich sei zu behindert, um gewisse Dinge zu lernen. Aber dazu später noch mehr.
Die beiden Mobber unserer Klasse hießen Stefan und Julian. Sie waren bei allen Erzieherinnen und Lehrerinnen beliebt und wir in der Klasse fürchteten die beiden. Diese beiden verprügelten mich regelmäßig, schlugen mich, fesselten mich an Stühle, schmissen mit Lochern. Meist fing das Ganze morgens im Schulbus schon an und endete auf dem Nachhauseweg. Ich hatte solche Angst vor den beiden, dass ich mich niemandem anvertraute, zumal einer der beiden dann sogar noch Klassensprecher wurde. Irgendwann fingen sie an, mich zu erpressen und sagten, wenn ich ihnen helfen würde, die anderen Klassenkameraden fertigzumachen, dann würden sie mich nicht mehr so schlagen. Vor lauter Angst beschloss ich, von da an das zu tun, was sie mir auftrugen. Bis heute tun mir meine Mitschülerin Vanessa und mein Mitschüler Johannes sehr leid und am liebsten würde ich mich sofort für all die bösen Wörter entschuldigen, die ich im Auftrag der anderen sagte. Mein Vertrauen in meine Mitmenschen wurde immer geringer. Einmal boten sie mir ein Glas Apfelsaft an, welches ich mit einem Zug austrinken sollte, aber ihr könnt Euch vorstellen, dass es auch andere Flüssigkeiten gibt, die gelb aussehen, und so musste ich den Urin eines Mitschülers trinken. Da ich auf einer Förderganztagsschule war, war die Grundschule mit der Oberschule zusammengefasst und so musste ich mit beiden Mobbern bis zur zehnten Klasse in die Schule gehen. Als wir in der Pubertät waren, befahl mir einer der beiden, ins Schulklo zu gehen, wo er mich vergewaltigte. Etwas Schlimmeres hatte ich bis dahin in meinem Leben nicht erlebt. Er schlug mich hinterher und sagte, wenn ich auch nur ein Wort darüber erzähle, würde er mich umbringen. Ihr fragt euch jetzt sicher, warum ich nichts von alledem meinen Eltern erzählt habe. Nun, es gab keinen Tag, an dem sich meine Eltern nicht zankten. Ständig gab es Streit zuhause. Wenn ich Euch diese Episode in meinem Leben erzähle, wisst ihr, warum ich nichts gesagt hatte. Ich hatte einmal einen ersten Platz gewonnen bei einem Wettbewerb. Die Lehrerin rief meine Mama an, um es ihr zu erzählen, doch meine Mama schrie nur ins Telefon, dass sie das ganze überhaupt nicht interessiert und verbot der Lehrerin, wegen so einem Blödsinn noch einmal bei ihr anzurufen. Ihr Sohn sei behindert und alles andere interessiere sie nicht. Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, dass ich kaum mehr Freude am Leben hatte. So waren meine einzigen Lebensretter, dass ich draußen während der Pausen viel spielen konnte, und so entdeckte ich meine Liebe zum Theater und nahm an Theater AGs teil. Hier blühte ich regelrecht auf. Es gab eine Lehrerin an unserer Schule, die jedes Mal, wenn jemand eine falsche Antwort gab, sagte, dass sie eh nicht wüsste, was das Lernen an dieser Schule bringe. Schließlich würde ja eh nichts aus uns werden. Dies wiederholte sie wie ein ewiges Mantra.
Morgen im zweiten Teil erzähle ich Euch, wie mein Leben heute aussieht. Hiermit würde ich dann gerne den ersten Teil beenden.