Ihr Lieben, heute mal ein ganz anderes Interview! Ihr könnt hier die Geschichte vom zwölfjährigen Pat lesen. Warum veröffentlichen wir heute die Geschichte eines Kindes? Pat und seine Familie schätzen die Arbeit unseres Vereines so sehr, dass sie unserer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vertrauen. Deswegen ist es uns möglich, mit Euch seine Geschichte zu teilen. Ein Kind, das mit 6 Jahren schon wusste, dass es im falschen Körper geboren wurde und inzwischen sein Anders konsequent im Alltag auslebt. Wir führten das Interview mit Pat an Seiten seines Papas, der später auch noch ein paar Worte äußert.
Hallo, Pat! Wann hast Du das erste Mal gemerkt, dass Du „anders“ bist?
Da muss ich überlegen. Mit 6 Jahren, da habe ich gemerkt, dass ich ein Junge bin. So „Mädchenkram“ mochte ich nie und hab mich zum Beispiel schon immer sehr für Autos interessiert. So habe ich mich auch eher „jungenhaft“ gekleidet und verhalten. Vor circa einem Dreivierteljahr habe ich mich dann vor den Mitschülern und meinen Eltern geoutet und werde seitdem mit dem Namen „Pat“ angesprochen. Das ist aber nicht mein einziges „Anders“, denn fast zum gleichen Zeitpunkt passierte etwas, was mir zeigte, dass etwas nicht in Ordnung ist. Im Unterricht war ich einmal so reizüberflutet, dass ich totale Aggressionen bekam und nicht wusste, wohin damit. Sie wurden so schlimm, dass ich am Unterricht nicht mehr teilnehmen konnte. Als dann auch noch die Vertrauenslehrerin von mir verlangt hatte, ich solle ihr in die Augen gucken – was ich definitiv nicht konnte – schrie sie mich an. Das war sehr schlimm für mich. Wozu sind Vertrauenslehrerinnen da? Doch wohl, um uns Schülern und Schülerinnen zu helfen… Aber gut, um das Ganze abzukürzen: Vor fünf Wochen wurde festgestellt, dass ich mich im autistischen Spektrum befinde.

Gibt es nicht eine Lehrkraft, die unterstützend für Dich war?
Ja. Meine Englischlehrerin. Sie war sehr wichtig für mich, weil sie eine der Wenigen war, der ich vertrauen konnte. Ich würde deshalb gerne jedem Schüler und jeder Schülerin raten, Euch an die Lehrenden zu wenden. Das muss eben nicht nur die Vertrauenslehrerin oder der Vertrauenslehrer sein, sondern eine Lehrkraft, der Ihr wirklich vertraut – in meinem Fall war es eben die Englischlehrerin.
Pat, wie sieht denn ein typischer Alltag von Dir aus?
Ein typischer Alltag würde so aussehen: Ich mache mich für die Schule fertig – mit Duschen / Zähneputzen / Frühstücken / Schulmappe packen (manchmal macht es aber auch der Papa für mich – An dieser Stelle: Danke Papa!) / und dann fährt mich der Papa zur Schule, damit ich nicht U-Bahn fahren muss. Für mich ist es schlimm, dass so viele Menschenmassen dort sind. Dann stört mich das ungleichmäßige Licht und die vielen Geräusche.
Mein Leben als Autist und Transgender
Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich Sport machen muss. „Warum“ fragst Du Dich? Weil ich dann bei den Mädchen mitturnen muss und das fühlt sich falsch an für mich und meinen Körper. Als Junge fühle mich nur zu Hause wohl. Außerdem ist es mir in der Sporthalle alles viel zu laut und grell und das stört mich extrem.
Mein Autismus schränkt mich in meinem Leben schon sehr ein. Ich schaffe es nicht, allein U-Bahn zu fahren und traue mich im Moment ohne Begleitperson nicht mehr in die Schule. Meine Eltern haben einen Hund angeschafft, der deshalb zu einem Begleithund geschult wird. Mein Hund passt jetzt schon gut auf mich auf und sorgt bereits dafür, dass ich mich sicherer und einfach „wohler“ fühle, wenn ich mit ihm unterwegs bin.

Hobbys
Ich fotografiere für mein Leben gerne verschiedene Pflanzen/Blumen oder auch mal ein Wildtier, das mir vor die Linse kommt, wie auch meinen Hund, der sich auch häufig genug in eine Pose setzen lässt.
Ich zeichne auch gerne Bilder, die meine Gefühle ausdrücken, ob es Wut ist oder auch Trauer, die Farben fließen dann einfach auf das Papier.

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Meine depressiven Episoden
Ich möchte an dieser Stelle noch etwas von mir Preis geben, was mich seit dem 2. Lockdown in Österreich sehr bedrückt: mir geht es seitdem sehr schlecht! Es hat angefangen mit der Angst vor dem Aufzeigen (sich in der Schule zu melden) und eine damalige Freundin hat mich noch mehr runtergezogen, indem sie andauernd gesagt hat, dass sie sich umbringen will. Dann ist es bei mir zum Selbstverletzen gekommen. Bis heute habe ich es nicht unter Kontrolle. Wenn ich in der Schule gestresst bin, kratze ich mich an den Händen. Seit Beginn der 3.Klasse (in Deutschland: 7.Klasse) hatte ich sogar keine Kraft mehr, überhaupt in die Schule zu gehen und bin dementsprechend zu Hause geblieben. Die Polizei war sehr oft in Begleitung der Rettung bei uns zu Hause, da ich meine Wut oder meine Gedanken nicht unter Kontrolle hatte.
Ich werde nun bald eine Therapie beginnen und hoffe, dass ich das alles besser in den Griff bekomme. Zum Glück habe ich viel, viel Hilfe dabei. Meine Eltern haben mich lieb und unterstützen mich. Die meisten meiner Mitschüler:innen akzeptieren mich als Pat und so, wie ich bin. Zweimal in der Woche habe ich eine Schulbegleiterin und bei Euch habe ich auch eine nette Gruppe und Hilfe gefunden. Der Papa sagt: „Wir gehen nun einen Schritt nach dem Nächsten“. Was das genau heißt, wird der Papa schon wissen.
Das ist ein guter Übergang – dann wollen wir doch den Papa einmal direkt fragen: Nun haben Sie das Interview mit Pat mitbekommen – was möchten Sie dazu sagen?
Ich bin total stolz auf Pat und es ist mir egal, ob er Autist oder Transgender ist. Solange Pat glücklich ist, bin ich es auch.
Als Vater wünscht man sich für sein Kind immer alles Glück der Welt und möchte es, so gut es nur geht, unterstützen und fördern. Manchmal ist man dann aber auch ohnmächtig, vor allem wenn es zu den Impulsdurchbrüchen kommt. Ich weiß dann einfach nicht, was ich tun soll und bin traurig, dass ich nicht helfen kann. Als dann die Diagnose „Autismus“ kam, war das natürlich schon ein gewisser Schock, aber uns hat es auch geholfen, dass das Ganze nun einen Namen hat. Wir haben damit einen Punkt, an dem wir ansetzen können. Es wird nicht einfach werden, aber zumindest können wir was tun.
Wie haben Sie die Entwicklung von Pat wahrgenommen?
Wir haben ihn damals deutlich als starköpfig bezeichnet. Er wusste schon immer, was er wollte und wollte kaum jemanden an sich ranlassen. Er ließ zum Beispiel auch keine Umarmungen zu.
Zunächst ging Pat noch gerne in die Schule in der 1. – 4. Klasse der Volksschule (Grundschule) und in den ersten beiden Klassen des Gymnasiums. Dann, nach 2 Monaten, war auf einmal alles anders und es kamen die Impulsdurchbrüche, für die ich einfach kein Rezept finde, um damit gut umzugehen. Und obwohl alles so schwer ist, kam die Diagnose doch überraschend.
Vielleicht kann ich es auch als Schlusswort eines Elternteils sagen: Ich versuche, immer Ruhe und Verständnis aufzubringen und größtmögliche Unterstützung zu bieten, mein Kind beim Lernen zu unterstützen, was natürlich schwer ist, wenn die Motivation von Pat im Keller ist, aber man gibt immer sein Bestes, denn Pat braucht mich jetzt am meisten.
Vielen lieben Dank, dass wir Sie und Pat interviewen durften. Vielen Dank für die offenen und ehrlichen Antworten und Einblicke in Euer Leben!
(Papa): Ich möchte Euch auch an dieser Stelle danken – wir fühlen uns beide bei Euch sehr gut aufgehoben und finden, dass Ihr ein tolles Programm anbietet!
